Sonntag, 15. Mai 2016

Männerschnupfen



Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Männer mehr Schmerz aushalten können als Frauen.
Soweit die Theorie.

Praktisch scheint es häufig so, dass Männer an den kleinsten Wehwehchen sterben. Worte wie „Männerschnupfen“ machen die Runde. Ähnliche Sorge gibt es nur vor Krebs und Malaria. Keiner weiß, wen es wann trifft. Das Leiden ist riesig.
Ich selber leide an Allergien. Einige. Meistens geht es mir damit gut, weil ich keine wirklichen Einschränkungen dadurch habe. Momentan neige ich aber dazu, meine Allergien fast wie einen Männerschnupfen auszukosten.
„Sollen wir noch mal raus?“ – „Och nö, Du weißt ja, die Allergie...“

Ein bisschen Leiden tut halt manchmal gut. Umsorgt werden. In den Mittelpunkt gestellt werden, obwohl es nichts zu feiern gibt. Einfach mal Weichei sein dürfen.

Die Entwicklung der Menschen ist über die letzten Millionen Jahre relativ weit fortgeschritten. Bei einigen Punkten merken wir aber immer wieder, dass wir noch tief in steinzeitlichem Verhalten verwurzelt sind: Schreckhaftigkeit bei lauten Geräuschen; Aufmerksamkeit bei gefährlich leisen Geräuschen; Frauen, die im Haushalt alles alleine machen müssen; Unterschiedlicher Arbeitslohn...

Vielleicht ist es bei Krankheiten genauso. Während Frauen gebären und sofort wieder Obst und Gemüse sammeln gehen konnten, mussten die Männer wirklich fit sein. Jedes Niesen konnte die ganze Gruppe bei der Jagd in Gefahr bringen, deshalb musste ein Schnupfen richtig auskuriert werden.
Erstaunlicherweise haben die Männer etwas daraus gelernt: Die Verlängerung der Krankheit führt zur Verlängerung der Auszeit.

Und vielleicht passierte es ja auch, dass bei einer Jagd, bei der ein Mitglied der Gruppe entschuldigt fehlte, der Rest der Gruppe vom Säbelzahntiger erwischt und getötet wurde. Evolutionär könnte es also sein, dass die Krankheitsanfälligeren Männchen auf Dauer diejenigen waren, die länger die Gelegenheit hatten, Nachwuchs zu zeugen.
Wahrscheinlich waren auch sie diejenigen, die irgendwann gesagt haben: „Zur Jagd? Och nö, Du weißt doch, mein Schnupfen...“

Vielleicht ist so die Sesshaftigkeit entstanden. Nur so wurde es möglich, Statussymbole wie Autos, Häuser und Gärten anzulegen. Nur so konnten endlich Fettleibigkeit und Diabetes Einzug in unsere Leben finden.
Nur so konnten Ärzte erfunden werden, die aufgesucht werden, um danach über sie zu schimpfen, ihre Ratschläge zu missachten und anschließend wieder sagen zu können: „Wäsche aufhängen? Och nö, Du weißt doch, der Schnupfen...“

Evolutionär kann man(n) also nur sagen: Ein kleiner Schnupfen für die Frau – ein großer Schritt für die Menschheit...